J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

April 2003

Zuerst ein Gedicht von der größten jüdischen Lyrikerin Rajzel Zychlinski, ursprünglich in schönstem Jiddisch geschrieben: Di klejder

Die Kleider, die du an mir sahst,
werden nie alt.
In allen Farben des Regenbogens
blühn sie in meinem Schrank.
Das lila Kleid flüstert mit dem grünen
ein grünes grasiges Geheimnis,
das rosa schmiegt sich an das gelbe
mit Blüten am Saum.
Weggeschoben in eine Schrankecke,
die Ärmel über die Schultern gelegt,
träumt mein blaues Kleid von dir.

1928 erschienen in Warschau das erste Mal Gedichte von ihr.

Und nun Notizen zu diesem großen gemeinsamen Nein: No war. Wie sagt Jakob Arouni, von dem gerade der Erzählband "Idioten" erschien: "Für Frieden an sich zu sein, ist wie für gutes Wetter sein." Er zeiht die "Fundamentalpazifisten der Sentimentalität." Büchnerpreisträger Wolfgang Hilbig ist ebenfalls für den Irakkrieg, weil die "Nicht-Gewalt nicht funktioniert hat." Und nun schaue ich noch zu dem Gastkommentar eines liberalen britischen Journalisten, in Berlin arbeitend: "Unwiderlegbare theologische Argumente für einen Krieg sind nicht vorhanden, aber es gibt immerhin schwer wiegende Gründe dafür, Gewalt einzusetzen, um einen Diktator loszuwerden, der droht eine schon gefährliche Region weiter zu destabilisieren." Aber das wollen die Pazifisten nicht wahrnehmen: nicht den Terror, nicht die Attentäter, nicht die Paramilitärs, nicht die grausame Diktatur im Irak, die Tausende von Familien zerstört hat, in der täglich Menschen für immer in den Gefängnissen verschwinden, in der es mehr als eine Generation dauern wird, bis Menschen wieder sagen werden, was sie denken. Und das alles hat nichts mit dem Islam, nichts mit anderen Kulturen zu tun.

Was schreibt jener britische Journalist noch: "Eine ganze Generation junger Deutscher wird mit Hilfe von Gehirnwäsche dazu gebracht zu glauben, Krieg sei von Natur aus böse. Irgendjemand nimmt diese Teenager auf den Arm. ...Die Lehrer scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, ihre Schüler durch eine offene Debatte zu festen moralischen Ansichten zu führen, also ist Schröder cool und George W. Bush ekelhaft. Das Ergebnis? Viele junge Deutsche sind zu dem Schluss gekommen, dass es nichts in der Welt gibt, für das es sich lohnt zu kämpfen." Dabei - sind in Berlin viele Schulen nach Widerstandskämpfern benannt. Dabei gibt es ja durchaus eine Debatte für und gegen diesen Krieg. Aber so ein großes gemeinsames Nein hat etwas Einendes, auch von Ost und West, endlich.

Wie schreibt Viola Roggenkamp. "Ich war eingeladen zum Essen. Jemand sprach über den Krieg. Es war nur der eine Krieg gemeint. Jemand schenkte Wein nach. Jemand wollte noch etwas von dem Selleriepüree. Der Mann, der über den Krieg sprach und über die Demonstrationen, ging ganz selbstverständlich davon aus, dass alle am Tisch einer Meinung waren." So geht das zu, seit es diesen Krieg gibt.

Still wird es, wenn gefragt wird, was denn der Grund ist für dieses einhellige große deutsche Nein zu diesem Krieg? Und warum denn dieser Antiamerikanismus, der immer latent zu spüren war, nun so scheinbar legitimiert, geäußert wird. Deutlich wird zunehmend auch, dass die christlichen Deutschen den jüdischen Deutschen zugestehen, irgendwie für diesen Krieg zu sein, weil doch der Irak Israel beseitigen will. Und obwohl das irakische Terrorregime dies als ein politisches Ziel verfolgt, sind die christlichen Deutschen gegen diesen "schmutzigen" Krieg.

Mich beunruhigen die Gründe, aus denen heraus viele in Deutschland gegen diesen Krieg sind: Sie scheinen gegen diesen Krieg zu sein, weil sie gegen dieses Amerika sind und - auch gegen dieses Israel. Warum finden sie nicht Saddam Hussein viel bedrohlicher? Und das war schon im letzten Golfkrieg nicht anders, obgleich damals Sharon nicht regierte und Bush junior ebenfalls nicht und Saddam gerade Kuwait überfallen hatte. Nennenswerte Proteste gegen Saddam Hussein gibt es aber nicht, als der "imperialistische Aggressor" wird ganz ungeniert Amerika beschimpft. Und Israel. Nicht Saddam Hussein: "Er ist Führer eines faschistischen Regimes, dessen Fundament männlicher Fanatismus ist, männlicher Frauenhass, männliche Destruktivität und männlicher Größenwahn. Auf diesem Fundament stand auch der deutsche Nationalsozialismus, und auch der hatte die Wahnvorstellung von einer jüdischen Weltherrschaft, genauso wie der islamische Fanatismus." (Die Schriftstellerin Viola Roggenkamp)

Die deutschen Friedensdemonstranten sind stolz auf ihr kategorisches Nein (das Nein von Schröder und seiner Regierung ist eine Ursache, dass die UNO nicht zu einer gemeinsamen Diskussion mit den USA gefunden hat). Die ganze Welt kann sehen, dass Deutschland etwas gelernt hat und nicht mehr kriegslüstern ist: Nein zu dieser "amerikanischen Invasion", darauf sind Junge wie Alte stolz. Und womit korrespondiert dieser Stolz und dieses Nein? Dass 1945 "die Amerikaner" Deutschland befreit haben, ein Land, das gar nicht hatte befreit werden wollen, denn die Mehrheit war doch stolz auf diesen Hitler, mit dem sie alle es zu etwas gebracht hatten. Nur dass es gegen Ende des Krieges nicht mehr so gut war: die Bomben, der Hunger, keine Kohlen, dass die Menschen in den Ländern ringsum den Traum vom großen Germania nicht teilen wollten.

An Krieg ist in Deutschland nicht zu denken, ohne nicht an diesen vergangenen Traum vom arischen Weltreich zu erinnern, an das totale Ja zum Krieg, an all das Elend, an all den Mord und Totschlag und - dass alle sich nach dem Krieg in eine neue Ordnung fügen mussten. Und nun also dieses große gemeinsame, alle vereinende Nein, von links bis rechts, von Ost nach West.

Wenn Menschen so unterschiedlicher, ja gegnerischer Interessen gemeinsam gegen die USA demonstrieren, was bedeutet das politisch?

Wenn die Friedensdemonstrationen nicht gleichzeitig genauso vehement gegen diesen mordenden Diktator skandieren, was bedeutet das politisch? Was sind die Subtexte? Zeigt es da ein Saddam dem Rest der Welt, macht was er will, lässt die Demokratien scheitern? Gibt es da klammheimliche Freude, dass der Krieg nicht so recht vorangeht?

Im Irak sind sechzehn Millionen Menschen, zwei Drittel der Bevölkerung, abhängig von der Lebensmittelzuteilung durch das diktatorische Regime. Mit eben diesen Zuteilungen, die jeweils für zwei bis drei Monate reichen sollen, werden die Menschen kontrolliert. Wer den Blockwarten und Straßenwarten, die es im Irak gibt, auffällt, dem wird die Ration gestrichen. Und: Dreihunderttausend Frauen wurden im Irak seit dem letzten Golfkrieg ermordet. Eine einzige Opferzahl von vielen. Was muss da noch geschehen?

Krieg kann eine Antwort auf Diktaturen, Faschismus, Morden und Terrorakte sein.

Was ich heute, am 31. März, mache: Ich beginne eine Schweinerevue zu schreiben.

J.