J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

Dezember 2009

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Ich gebe meinen Gedanken Audienz. So ein Satz. Nicht von mir. Noch einmal Sehnsuchtsorte wie Säntis, Waldhaus, Halifax, British Columbia, die Orkney Inseln, der Lake District, Triest und Sizilien im Ganzen, Krakau, Ventspils, das Finistère, Lappland, Grönland, Island, die Kapverdischen Inseln, Casablanca - so viele? Und Züge, Schiffe, Straßen.

Gibt es auch Sehnsuchtsmenschen? Mezzosoprane, Altisten, Klavierspielerinnen, Philosophen, Erfinderinnen, Improvisateure, freundliche Menschen, faire Menschen - Menschen auf Schiffen, in Zügen und im Stau. Auf einer Alphütte, in einem Schleusenwärter- oder Zollhaus - die das Spiel der Erlösung vorziehen, die Improvisation einer trostlosen Ewigkeit: schlaflos vor Glückseligkeit, singend und herumstreifend. Was ist Glückseligkeit? Was ist Geborgenheit? Sehnsüchte! Clara Haskil spielt Chopin - aber - niemand geht als Filmfigur durch sein Leben, vielleicht für einige Monate, dann ist der Film vorbei, die Figur ausgespielt, vielleicht ist Applaus zu hören, vielleicht aber auch Buhrufe. Im besten Fall hat man etwas verdient oder hinzugelernt.

Wechsle ich zu einem neuen Mythos: vom Mauerfall, den niemand vorausgesehen hat, der nicht voraus zu sehen war. Wann genau vielleicht nicht, aber dass die so genannten kleinen Leute in den vielen kleinen Staaten Mitteleuropas auf dem Sprung waren den großen Mächten ins Ruder zu greifen, das war zu sehen und zu hören. Niemand hat doch an die Unvergänglichkeit des Sowjetreiches, aller kommunistischen Parteien, der Mauer und des Kalten Krieges geglaubt. Da waren Dissidenten, Aufständische, Widerstand, immer wieder Gerichtsverfahren, Schauprozesse, Ecken und Winkel, Handel jenseits der Vorschriften und des Irrsinns einiger Systeme, der Versteinerung, die sich auch in den Gesichtern einiger Mächtigen spiegelte. Zu verwechseln ist also nicht die Feigheit und die Taubheit: Die Tatsache, dass viele nichts hören wollten, mit der Tatsache, dass nichts gesagt worden wäre. Nicht wenige, der Mächtigen taten viel, um die alte Ordnung zu retten. Der neue Mythos leugnet eine jahrzehntelange Geschichte des Kampfes, Widerstandes und Denkens.

Und jetzt noch die Feststellung, dass wenn sich bei gleichzeitigem Wunsch nach Sicherheit die Abgründe der Leidenschaft auftun, ein Happy End ausgeschlossen ist. Aber uns lockt ja das Traurige, das Schreckliche (Schiller).

Und was wünsche ich mir? Dass ich ab jetzt von da draußen erzähle, in Farben. Von der Ostsee im November, von den Cevennen und dem Duft der Fasanengerichte, vom polnischen Land, von Schweden, vom Reisen, dass ich die deutsche Geschichte erzählend verlasse. Wird nicht gelingen, aber es ist schön auf dem Julierpass zu stehen oder am Lago Maggiore. Oder aus einem Fahrstuhl eines Grandhotels zu treten und in Sekunden werden Hoffnungen geweckt - allein der eigenen Entscheidung. überlassen. Sich nicht entgegenwerfen. Nur sich setzen und schauen.

Was tue ich heute? Die Enge betrachten, die ich in mir finde; mein Zugestelltsein, das ich zulasse und mitmache und Steine dazu liefere. Was tue ich 2010? Nach Le Pouget fahren. Nach Schweden fahren. Nach Ventspils fahren. Schreiben, davon erzählen, wie Einwohner ihr Dorf verlassen, von Alberto und Sally erzählen, vom Geruch der Sardinen, vom Meckern der Ziegen und vom Duft der Ostsee. Oder?

Jay