J. Monika Walther

Häuser am Himmel

Hörspielgeschichten von einem Leibwächter, dem weißen Neger, einem Diktator, der Rosenkönigin, einem Seelen- und einer Worthändlerin

1. Schokoladentorte

Im Palast  
Diktator: Die Schmetterlinge schmecken heute bitter. Sehr bitter.
Leibwächter: Herbstschmetterlinge! Herbstschmetterlinge schmecken bitter.
Diktator: Dann muss der Koch die Schokolade feiner abschmecken. Die Glasur muss süßer sein. Oder – wir müssen Sommerschmetterlinge züchten. Warum kommt außer mir niemand auf diese Idee?
Leibwächter: Weil Sie Ihrer Frau Schokoladentorte mit glasierten Schmetterlingen schenken. Weil Sie der Diktator dieses Landes sind. Ich beschütze sie nur.
Diktator: Warum? Wegen des Geldes? Oder weil Sie mich lieben?
Leibwächter: Weil schwarze Schmetterlinge meine Seele fressen.
 

2. Der weiße Neger

Regie Samba, Schiff und Meer. An der Reling
Rosenkönigin: Sehen Sie den Sonnenschirm?
Leibwächter: Den Mann, am Strand?
Rosenkönigin: Er tanzt mit dem Schirm. Schöne nackte Füße hat er.
Leibwächter: Diesen tänzelnden Neger am Strand - kenne ich!
Rosenkönigin: wollüstig Wie schön er ist!
Nehmen Sie mein Fernglas! Schauen Sie!
(Er nimmt es nicht)
Schauen Sie doch!
schnell, zur Seite: Grüß’ Sie, welche Überraschung.
  • leise: Kennen Sie diese junge Frau, eine von diesen Börsenhändlerinnen, sehr redegewandt, wirft mit Worten nur so um sich.
  • Leibwächter: bei sich Den Neger habe ich auch schon gefragt.
    Rosenkönigin: Was haben Sie ihn gefragt?
    schnell, zur Seite: Guten Abend, guten Abend.
    leise: War das nicht Ihre Frau? Haben Sie Streit?

    Welch schöner Abend!
    Leibwächter: unterbricht Nach einer Frau habe ich ihn gefragt.
    Rosenkönigin: wollüstig Dieser schöne, gut gebaute Mann. Dem haben Sie das Foto auch gezeigt? Spricht er, wie er tanzt? -
    Leibwächter: Er hat nicht mit mir gesprochen. Er hat das Foto nicht einmal angesehen.
    Rosenkönigin: unvermittelt Ich muss gehen. Ich muss meine Rosen bestellen! geht
    Regie: Samba, Schiff, Speisesaal
    Rosenkönigin: Steward! Steward, bitte!
    nachdrücklich Steward, bestellen Sie hundert Tonnen Rosenblätter, hundert Tonnen, aber frische, duftende.
    Rote Rosenblätter! Ich werde ein Fest geben.
    Frau: lachend (zum Leibwächter) Ah, die Rosenkönigin.
    Erfindet Du, das ist die Rosenkönigin.
    Sie umhüllt ihren Geliebten mit Rosenblättern. Er fühlt all seine Lust aufsteigen und wird atemlos. Er kann nicht mehr widerstehen. Er erstickt.
    Alle ihre Gäste ersticken.
    Und sie, sie schaut voller Wollust zu. ....
    Und wenn sie nicht gestorben ist, dann feiert sie heute noch jedes Jahr ihr Rosenmahl.
    Leibwächter: (leise, dicht) Für kurze Zeit nur Zunge und Körper.
    Die sechste von links auf dem Foto...
    Frau: lacht ...bin ich?
    Leibwächter: ..ist meine Liebste. Bist du es?
    Frau: Drei Aufgaben musst du lösen:
    Befreie die Schmetterlinge des Diktators!
    Erkenne deine Frau!
    Finde dich selbst!
    Dann duftet es wie Sommer und Winter zusammen. Und du hast drei Küsse frei.
    Rosenkönigin: mischt von ihrem Tisch aus sich ein
    Drei Küsse!
    Und was haben Sie frei, wenn Sie Ihre drei Aufgaben gelöst haben, meine Dame?
    Frau: lacht Alle Männer dieser Erde!
    Rosenkönigin: Amüsant!
    Sie müssen meine Gäste sein. Kommen Sie zu meinem Rosenmahl. geht
    Frau: Sie nimmt ihrem Geliebten mit Rosenblättern den Atem - und schaut voller Wollust zu. ....
    Und wenn sie nicht gestorben ist, ...
    Leibwächter: Die Stimmen werden still, die Bewegungen langsam. Alle sind zufrieden und satt.
    Frau: Ich stehe auf und gehe zu meinem Mann, dir ähnlich und von gleicher Statur.
    Leibwächter: Gemeinsam zerreißen wir die Geschenkpapiere, lösen und zerschneiden Bänder und Schnüre, lachen über die mit englischen Königinnen bemalten Kaffeetassen, über die albernen Hochzeitsgeschenke, werfen Teller hinter uns und tanzen um die Tische. Du gehst mit mir.
    Des Nachts versündige ich mich.
    Frau: Ich tue es mit dir für Geld.
    Leibwächter: Ich bringe dich um.
    Frau: Du erwürgst mich. Aber ich höre nicht auf, dich anzusehen.
    unterbricht Gehst du mit mir zum Mahl der Rosenkönigin?
    Leibwächter: Sieh mich nicht an!
    Ja, ich gehe mit dir - als dein Leibwächter.
    Frau: Sag mir dein Zauberwort?
    Leibwächter: Selbstvergessenheit.
    Ich zeige dir ein Foto...
    Frau: Wer sind die Frauen?
    Leibwächter: Die Rosenkönigin..... und die sechste von links ist meine Frau. Ihr Zauberwort ist Geborgenheit.
    Frau: lacht Ich habe zwei Zauberwörter: Geborgenheit und - Jahrmarkt!
    Leibwächter: Hörst du sie lachen? Die sechste von links!
    Meine Frau. Ich suche sie.
    Frau: Das Gesicht ist kaum zu erkennen. Das Foto ist abgegriffen. Fettfinger?
    Leibwächter: Es war einmal ein Sommer an der See. Ein sanfter weißer Strand. Ich lief rechts und links von ihr, im Zickzack und beneidete sie um ihren schlendernden langsamen Gang.
    Später verlor sie ihr Gesicht, ihren Gang, alles, was sie mir war.
    Frau: Du hast sie dir geträumt.
    Leibwächter: Nein! Ich suche meine Liebste.
    Frau: Welche Spur hast du?
    Leibwächter: Ich habe es gelernt, meinen Leib und meine Worte zu schützen.
    Ich bin auch mein eigener Leibwächter.
    Frau: zornig
    Wenn du mich nicht liebst, schlafe ich mit anderen.
    Leibwächter: kühl Deine drei Aufgaben:
    Erstens: Tu es mir für Geld.
    Zweitens: Wechsle deine Kleider.
    Drittens: Küsse mich wach.
    Regie: Samba, Hafenstadt, Händler, Sprachengewirr
    Der weiße Neger: Seid willkommen.
    Ihr seid nun tausendfünfhundert Seemeilen in Richtung Süd-Südost bis zur großen Insel Java gereist. Ich kenne mich hier gut aus, so wie an anderen Orten auch. Die unglaublich reiche und schöne Insel Java ist niemandem steuerpflichtig. Und so war es einmal: Es wächst hier der Pfeffer, die Muskatnuß, die Narde, die Galgantwurzel, der Kubebepfeffer, die Gewürznelken, und jedes teure und seltene Gewürz, das es auf Erden gibt. Viele Schiffe kommen nach Java, und die Händler kaufen und verkaufen riesige Warenmengen mit hohem Gewinn. Es ist ganz unmöglich, Euch die vergangenen und jetzigen Schätze Javas aufzuzählen und sie zu schildern. Ihr müsst riechen und schmecken, hören und schauen.
    Die Kaufleute und Herrscher verdanken seit langem ihren Wohlstand dieser Insel. Die Einwohner und Einheimischen verdanken der Insel Wohlsein, aber auch Ausbeutereien und die Anlandung von Räubern mit fremden Blicken. Das Reich des Diktators liegt im Westen der Insel.
    Mehr will ich euch darüber nicht sagen.
    Euer Schiff ist angekommen. Ihr geht an Land.
    Heute Abend gebe ich ein Fest. Ihr alle seid eingeladen.
    Rosenkönigin: wollüstig Wie schön du bist, wie anmutig, engelsgleich...und zeitlos, nicht an Orte gebunden. Ein weißer Neger.
    Ich begehre dich.
    Wenn die Rosenblätter deinen Körper bedecken und deine blauen Augen blind werden und dir der Atem vergeht...bist du mein.
    Der weiße Neger: Gnädigste, ich bin unsterblich.
    Regie: Samba (Radio), Autobus (Ziegen, Schweine, Mitreisende)
    Frau: Wo ist mein Leibwächter? Er darf diesen Bus auf keinen Fall verpassen.
    Seelenhändler: Ich suche Ihren Mann. Ohne ihn geht es wohl nicht.
    Worthändlerin: Fahren Sie auch zum Palast des Diktators? Er empfängt heute Händler aus dem Ausland.
    Frau: Ja. Ich bringe ihm ein Glas Sauerkirschenmarmelade.
    Mein Angebot.
    Ich bin neu im Gewerbe, stürzte mich auf den Handel mit Marmeladen, spezialisierte mich im Sauerkirschenbereich, wurde eine der besten.

    Kennen Sie Ihre drei Aufgaben bereits?
    Ich muss meinen Mann wach küssen.
    Worthändlerin: schnell Dissens, Segellatten und Bugspriet. Pulverfässer und Wirrnis, die Greifbarkeit der Bestürzung in tiefem Wasser. Konsens: Die Segel streichen, die Mastkörbe neu besetzen. Die Kanonen bleiben an Bord. Jedes Wort kostet Leben.
    Ach entschuldigen Sie. stellt sich vor Ich handle mit Worten.
    Ich muss den Diktator in Worte fassen.
    Ich muss ohne Akzent Scheveninger Schepsbeschuit (spricht es falsch aus) sagen.
    Und die dritte Aufgabe ist: Ich muss nackt auf dem Tisch tanzen.
    Und Ihre drei Aufgaben?
    Frau: Mein Mann erkennt mich nicht.
    Ein Tag genügte, um den Blick zu verlieren. Nur weil ich vor Sehnsucht zur Seite sprang.
    Seelenhändler: Die Küsse von gestern... Gestatten, Seelenhändler.
    Frau: ..sind heute noch auf meinen Lippen.
    Rosenkönigin: Haben Sie nicht auch drei Aufgaben zu erfüllen?
    Seelenhändler: Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre Rosenblätter.
    Rosenkönigin: Schon geschehen. Darf ich Sie auch zu meinem Festmahl einladen?
    Frau: Was haben Sie denn für Aufgaben zu lösen?
    Rosenkönigin: Keine! Ich doch nicht! Ich, die Rosenkönigin. Ich verführe.
    Seelenhändler: Himmel und Hölle. Aber ohne Aufgaben war diese Reise nicht zu buchen.
    Ich muss dem Diktator dieser Insel die Seele entreißen.
    Ich muss vier mutige Seelen finden.
    Ich muss den Krieg der Leiber beenden.
    Rosenkönigin: Na, dann: viel Glück! Was für ein Programm!
    Da sind Sie ja endlich!
    Leibwächter: Bitteschön, vier gebratene Hühnerfüße. Ich habe für alle eingekauft: Vier Portionen Nasi, zwei Flaschen Sojasoße, süße, Guaven, vier Kokosnüsse, vier Pfund kleine getrocknete Fische. Alles da.
    Und für Sie, Rosenkönigin, habe ich einen gebratenen schwarzen Schweinefuß.
    Rosenkönigin: Den können Sie selber essen! Ich bevorzuge Frühlingsrollen, gefüllt mit Rosenblättern.
    Seelenhändler: Geben Sie mir den schwarzen Schweinefuß.
    Mit Schwein im Bauch verhandle ich besser mit dem Diktator.
    Leibwächter: Meinen Auftrag habe ich bereits in der Tasche: vier Erwachsene zu bewachen und sicher zum Palast zu geleiten.
    Seelenhändler: Was passiert, wenn es keine Menschen mit Seelen mehr gibt? Wenn alle verkauft, geraubt und in Schmetterlinge verwandelt sind? Wenn die Körper sich selbst genügen?
    Leibwächter: Haben Sie diese Frau gesehen? Haben Sie diese Frau nicht gesehen? Haben Sie nicht...
    Kennen Sie diese Frau auf dem Foto? Die sechste von links.
    Frau: Sei still!
    Ich verschwinde ja schon.
    Der weiße Neger: Wer möchte unter meinen Schirm?
    Wer möchte im Schatten atmen?
    Auf dieser Insel gibt es alle Wetter.
    Rosenkönigin: Ich! Deine Widersacherin! Aber du musst auf meinem Rosenmahl alle Damen betanzen.
    Der weiße Neger: Der Diktator und seine Gefolgsleute sprechen eine eigene Sprache. Sie haben eigen konstruierte, große Fernrohre und können damit jeden Einwohner beobachten.
    Der Diktator besitzt als einziger ein riesiges Netz, gesponnen aus feinsten Maschen, mit dem er alle Schmetterlinge einfangen lässt.
    Im Reich des Diktators wird jede gute Seele in einen Schmetterling verwandelt, denn er liebt das Schöne. Die schlechten Seelen isst er, damit das Schlechte aus der Welt ist. Er opfert sich und wird immer gemeiner.
    Der Diktator liebt die drei Tenöre, feines Leinen und schwarze Seelen, serviert in silbernen Schalen. Nach jedem Mittagsschlaf überwacht er die Vermehrung seines Reichtums. Im Innenhof des Palastes eröffnet er seine eigene Börse: Gold wird mit Meeressand aufgewogen, Kapuzineräffchen bringen mit Marchmallows gefüllte Elefantenzähne, Händler aus der alten und neuen Welt kaufen und verkaufen, die Kurse steigen und fallen, jeder Handel ist möglich. -
    Der Palast hat über tausend Säle und Zimmer, für die Liebe, für den Tod, für das Lachen und die Freude, für den Verlust und die Tränen. -
    Rosenkönigin? Kommst du zu meinem Fest? -
    Rosenkönigin: Erst mein Rosenmahl.
    Ich nehme die große Palastterrasse mit Blick auf das weite Meer, als Kulisse die Berge und kleine römische Gartenhäuser. Ich lege alle Seidenkissen des Diktators auf den glänzenden Marmorboden. Ich überreiche jedem Gast einen Paradiesapfel. Ich streue die ersten Rosenblätter.
    Der weiße Neger: Ich überreiche jedem Gast eine Muskatnuss - und eine kleine raue Reibe.
    Allen meinen Gästen werden die Augen verbunden.
    Ich feiere im großen Spiegelsaal auf blankem Parkett. Du bist eingeladen, Rosenkönigin. Ihr alle seid eingeladen, zum Fest des weißen Negers! Aber erst müsst Ihr Eure drei Aufgaben lösen!
    Regie: Palast des Diktators, Innenhof
    Börsenkurse und Marmeladennamen wie La bonne Maman, Chivers, Du darfst, Bassermann, Schwartau, Zentis. Stimmengewirr.
    Seelenhändler: schnell Biete Jamaika gegen Jamica, Java gegen Einhörner und Menschenfresser, zehn kandierte Seelen gegen die Schlechte des Diktators. Biete Westdiktator gegen KGB, biete diktatorische Seelen gegen grüne Bananen.
    Worthändlerin: Jamie, Jamie, I've got love in my tummy and I feel like loving you. I love Jamie. You love Mummy.
    Frau: Biete Sauerkirsche gegen Sonnenschirme, kaufe Ingwerpampe zu allen Preisen unter hundert.
    Leibwächter: Ich bewache rot glänzende Mozartkugeln lieber als krustige Schweinsfüße. Ich hüte die Kinder der Rattenfänger und die Eltern der Soldaten. Ich bewache die Obszönität und die Prallheit der Leiber. Ich bin mein Geld wert.
    leise, aufgeregt Kennen Sie diese Frau? Wo haben Sie diese Frau gesehen? Schön ist sie, schön.
    Frau: Jam, jam, der Marmeladenmozart. lacht Keine Liebste zur Hand?
    Leibwächter: Ich bewache das Fleisch, das Verbotene. Ich verdiene Geld, um die Nacht mit dir zu bezahlen.
    Frau: Deine Begierden!
    Ich trage ein rotes Kleid. Der weiße Neger reicht mir seinen Schirm. Ich atme in der Sonne.
    Leibwächter: Ich suche meine Frau!
    Frau: Schau auf dein Foto. Die sechste von links.
    Worthändlerin: Biete den Sarottimohr gegen Katzenzungen. Biete englische Kaffeetassen mit Lady Di...
    Frau: laut, schnell Jam Chetphur. Kaufe Option 1000 Chiver. 1100, englische Orangenpampe mit britischen Orangenstreifen. 1200 Pomeranzenpamps, Orangenverschnitt für Deutschland.
    Leibwächter: Verrätst du mich?
    Betrügst du mich?
    Der weiße Neger: Wer nicht betrügt, wird nicht betrogen. Oder war es andersherum?
    Der weiße Neger: Der Palast hat über tausend Zimmer.
    Komm unter meinen Schirm, komm, schau und lausche!
    Der Seelenhändler und die Worthändlerin im Liebeszimmer
    Regie: Samba, Palast, Liebeszimmer
    Seelenhändler: dicht Betrügst du mich?
    Worthändlerin: Deine Seele gegen meine?
    Seelenhändler: Seelenwäsche? Das Wort Seele? Der Zustand Seele?
    Rate mir: Wie entreiße ich dem Diktator seine Seele?
    Worthändlerin: Hör auf ihm Seelen zu liefern!
    Seelenhändler: Aber ich muss in seiner Nähe bleiben!
    Worthändlerin: Du kannst ihm die Brust öffnen und das Herz zerschneiden.
    Oder du entreißt ihm das Wort Seele.
    Seelenhändler: Hilf mir, meine Aufgabe zu lösen!
    Worthändlerin: Die Sapurganer, ein kleines Volk, schneiden ihre Melonen in Scheiben, legen sie in die Sonne, bis die gedörrten Stücke süßer sind als Honig.
    Also öffnest du die Brust des Diktators beim Mittagsschlaf, trägst seine Seele auf einen Salzberg damit das Böse entzogen wird. Dann legst du sie in die Sonne und die Seele wird gut.
    Der Diktator aber bleibt seelenlos und seine Herrschaft wird aller Raffinesse entbehren.
    Die drei Tenöre werden nicht mehr singen, die silbernen Schalen schwarz anlaufen und das feine Leinen brüchig.
    Seelenhändler: Bist du eine der vier mutigen Seelen, die ich suchen Mus?
    Worthändlerin: Liebster, ich biete: Mingis, Mangistan, Melone, Word company, Avanz, Avanti, Avante laut Avante, Avante Scheveninger Ships Beschuit. (übt, mehrmal, sie spricht es richtig aus)
    Seelenhändler: Was redest du? Deine Aufgabe?
    Scheveninger Shepsbeschuit. (er spricht es falsch aus)
    Worthändlerin: Schiffszwieback. Aus Scheveningen. Hafenstadt. In den Niederlanden.
    Eine Wortprobe. Sie entlarvte jeden Spion.
    Seelenhändler: bemüht Scheveninger Schepsbeschuit (er spricht es falsch aus)
    Worthändlerin: lacht Spion!
    Seelenhändler: lacht Seelenhändler.
    Salzberg! Ich tue es.
    Verführe den Jammer. Betrüge den Verlust.
    Regie: Samba, Innenhof des Palastes, Börse
    Worthändlerin: Biete: Verlustieren, eine der erfolgreichsten Wortfindungen. Mit ihr an den Börsen in Tokio, London und New York notiert.
    Jammerjam, Jammer aller Arten. Verjammern, nach ihr sich verjammern. Jamusch verkaufe ich an den Börsen in Amsterdam und Frankfurt. Der Kurs steigt: 645, 646, 647...
    Rosenkönigin: Und der Preis für Rosenblätter? Für Paradiesäpfel? Ich kaufe alles!
    Was kosten duftende Rosenblätter? Ich kaufe alle Paradiesäpfel. Ich kaufe Schönheit um jeden Preis. Eine Million, zwei Millionen.
    Ihr kommt doch zu meinem Rosenmahl!?
    Frau: Kaufe 2000 Chivers, 2000 Preiselbeeren. Ich höre...
    Worthändlerin: Sich verjammern.
    Ich verkaufe die Jammerklage, zu...546, 547, 548, höchstbietend.
    Leibwächter: Haben Sie meine Liebste gesehen? Haben Sie... Die sechste von links? Meine Frau... Haben Sie....
    Frau: Ich verkaufe Marmelade, aber du hast dich dem Diktator angedient.
    Leibwächter: Die beiden abgehackten Köpfe lagen auf zerknülltem, blutbeflecktem Tuch. Kissen gaben den Köpfen Halt. Ein Paar, vom Tod überrascht, einander zugewandt. Die rohen Schnittflächen an den Hälsen, das geronnene Blut.
    Ich konnte sie nicht beschützen.
    Seelenhändler: kühl Lecken Sie die Tränen auf! Vergraben Sie die Leiber!
    Frau: Keine Seele in La bonne Maman! Ich höre Chivers, Bassermann, Schwartau, Du darfst, Preiselbeeren, Sauerkirschen...
    Ich werde nicht mit dir schlafen.
    Leibwächter: Du musst! Gegen Geld! Eine deiner Aufgaben.
    neidisch Der Diktator hat Huren kommen lassen, der schwelgt. Der Diktator hört Musik.
    Worthändlerin: Scheveninger Schepsbeschuit. (sagt es richtig) Erste Aufgabe gelöst!
    Zweite Aufgabe: den Diktator in Worte fassen: diktieren: befehlen, auferlegen.
    Diktator: unumschränkt regierender Gewalthaber. Willkürherrscher. Alleinherrscher. Gelöst!
    Dritte Aufgabe, ungelöst: nackt auf dem Tisch tanzen.
    Der weiße Neger: Ich schenke dir eine Geschichte.
    Die Camulaner sind die freundlichsten Gastgeber. Wenn ein Fremder kommt, werden ihm alle Wünsche erfüllt. Der Mann des Hauses geht für einige Tage auf Reisen. Der Gast darf mit der Frau alleine bleiben und beide benehmen sich, wie es ihnen gefällt. Sie schlafen nackt in einem Bett und haben das größte Vergnügen aneinander.
    Die Frauen sind schön, heiter und guter Laune. Die Götter der Camulaner freuen sich über die Lust und gewähren reichen Erntesegen.
    Worthändlerin: lacht Ich werde tanzen.
    Der weiße Neger: Der Palast hat über tausend Zimmer. Komm unter meinen Schirm, komm, schau und lausche!
    Der Leibwächter und die Frau im Liebeszimmer.
    Regie: Samba, Palast, Liebeszimmer
    Leibwächter: Er hat meine Seele.
    Frau: Wer?
    Leibwächter: Der Seelenhändler. Ich habe sie ihm gegeben.
    Frau: Bietet er sie an?
    Leibwächter: Ja, dem Diktator!
    Frau: Zu welchem Preis?
    Leibwächter: Alle deine Küsse.
    Frau: Drei für dich!
    Leibwächter: Ich befreie heute Abend alle Schmetterlinge des Diktators!?
    Frau: Ich ziehe mein rotes Kleid aus.
    Lege dich zu mir und streichle meine Brüste und meinen Nabel.
    Leibwächter: Zweihundert Mark, drei-, fünf, siebenhundert. Tausend....
    Frau: ...und eine Nacht.
    Drei Küsse bekommst du: auf deine Lippen, unter deine Achseln....
    Leibwächter: ...auf meine - Hoden.
    Regie: Samba, Innenhof des Palastes, Börse
    Worthändlerin: Der Kurs fällt: Verkaufe Jammer aller Arten, nach ihr sich verjammern gegen Columbine und Harlekine!
    Worte gegen Taten.
    Frau: Kirsche gegen Morelle. Sauer für Schatten.
    Realität gegen Option?
    Seelenhändler: Mann oder Frau? Jungfrau oder Bassermann? Der Markt fragt nach rigidem Egoismus und mobiler Infantilität. Nicht über 94!
    Worthändlerin: Der Kurs fällt: Zu 92 biete ich kompatible Jammerlappen, zum ersten.
    Seelenhändler: Zum Zweiten: gegen jammernde Autisten.
    Suche 68 Paletten mit Seelen. Gebündelt und sortiert.
    Der weiße Neger: unterbricht: Lasst das Handeln!
    Heute Abend gebe ich mein Fest.
    Augenbinden und Tanzschuhe sind Pflicht. Wer kommt, raspelt die Muskatnuss.
    Geht über den Fluss. Geht über die lange, überdachte Brücke. Es duftet nach Moschus und Jasmin, es riecht wie Sommer und Winter.
    Rosenkönigin: Wer spricht von Liebe? Wollust!
    Wer zu mir kommt, wird in Düften ersticken.
    Ich, die Königin sitze mit einer Rose am gedeckten Tisch. Es gibt Keinen, den ich berühre. Meine Lust, meine Gier ist eine ganz andere. Wollüstig erleben meine Gäste ihren süßen Tod.
    Ich schaue zu. Ich weide mich an eurer Verzückung, wenn ihr das Paradies schaut.
    Der weiße Neger: Öffnet die Augen!
    Es leben Tiere, die nichts mit den übrigen Tieren auf der Welt gemein haben: schneeweiße Papageien, die alle Sprachen sprechen, Schmetterlinge, die schöner sind als alle Pfauenaugen, sie glänzen in tiefem Indigoblau, schwarze Löwen und keine Spur von Farbe;
    Der Leibwächter: Ich muss die Schmetterlinge des Diktators befreien: Sie sind alle in einem riesigen Netz gefangen, die guten Seelen der Insel.
    Der weiße Neger: Nimm diese Schere.
    Der Palast hat über tausend Zimmer. Komm unter meinen Schirm, komm, schau und lausche!
    Die Worthändlerin und der Seelenhändler im Liebeszimmer.
    Regie: Samba, Palast, Liebeszimmer
    Seelenhändler: Hörst du den Diktator lachen?
    Worthändlerin: Wann wirst du es tun?
    Seelenhändler: Heute!
    Ich werde ihm die Brust aufschneiden und seine Seele auf den Salzberg tragen. Heute! Vor den Festen.
    Worthändlerin: Dann schenke ich dir dein Zauberwort: Schmetterling.
    Seelenhändler: Ich ziehe dir die Kleider aus. Dann erst die Schuhe.
    Worthändlerin: Kaufst du das Wort Unterwäsche?
    Seelenhändler: Kaufe Reize!
    Worthändlerin: Biete Reizworte.
    Seelenhändler: Reizwäsche.
    Worthändlerin: Da komme ich. Ich bin ganz nackt, habe bloß ein Bonbon im Mund. Ich tanze auf dem Tisch.
    Seelenhändler: spöttisch Hatte Gott eine Alternative, als er die Welt erschuf?
    Worthändlerin: Wie heißt mein Zauberwort?
    Seelenhändler: Fülle.
    Worthändlerin: Sing! Damit ich tanzen kann.
    Seelenhändler: singt Oh sole mio....
    Worthändlerin: Ich liebe dich.
    Regie: Innenhof des Palastes. Das Ende der Börse wird eingeläutet.
    Rosenkönigin: Ich biete Zeitvertreib, Rosendüfte, Seidenkissen! Ich biete Meeresblicke, Bergesblicke, Rosenblicke!
    Ich biete Verstrickung, Vergessen, Vergehen.
    Der weiße Neger: Ich biete Augenbinden, Tanzschuhe, Freudensprünge.
    Ich biete Augenblicke, Spiegelblicke, Anblicke. Ich biete Verzeihen, Vertrauen, Versinken.
    Worthändlerin: Ich biete mich an. Ich biete mein Wort.
    Seelenhändler: Nein, ich biete Großzügigkeit.
    Ich gebe mich.
    Worthändlerin: Ich biete Wort gegen Wort, Hand gegen Schlag, ohne Zwischenhandel.
    Seelenhändler: Ich nehme die Seelen von fünfzig sterbenden Gästen. Eins zu zehn der ganze Posten.
    Rosenkönigin: Die Seelen meiner Gäste sind getränkt vom Rosenduft. Sie sind unverkäuflich!
    Die dürfen Sie sich nach dem Fest zusammenfegen, - falls Sie dann noch leben.
    Leibwächter: Biete Schutz, Beschützen, Beistehen.
    Frau: Biete Verwandlung!
    Wünsche Achterbahn, Verzauberei und einen goldenen Ring aus dem Kaugummiautomaten.
    Der weiße Neger: unterbricht Ich hole dich ab, ich hole euch ab. Ich komme, ich tanze, ich bleibe, ich zeige. Ich lade euch ein, ich verschenke Gedanken. Ich stifte an. Ich lass euch sehnen. Ich nehme euch unter meinen Schirm. Ich zeige euch die Liebeszimmer.
    Ich bin der schwarze Löwe ohne Farbe.
    Ich bin der weiße Neger.
    Frau: Wann? Und wo?
    Der weiße Neger: Auf meinem Fest.
    Seelenhändler: Ich habe noch etwas zu erledigen!
    Der weiße Neger: Ich gebe dir die Scherbe des goldenen Spiegels, halte sie dem Diktator vor den Mund. Wenn er ausatmet, hast du seine Seele gefangen ohne ihn zu töten. Dann gehe auf den Salzberg.
    Der Palast hat über tausend Zimmer. Komm unter meinen Schirm, komm, schau und lausche!
    Der Leibwächter und die Frau im Liebeszimmer.
    Regie: Samba, Palast, Liebeszimmer
    Leibwächter: Ich bewache Schlagbäume. Ich bewache Jahrmarktsbuden.
    Ich bewache dich, ich bewache mich. Ich höre damit auf.
    Frau: Küss mich!
    Leibwächter: langsam, leise Ich weiß nicht, wer du bist, aber dich will ich!
    Frau: Im Freudenhaus die Sterne schießen.
    Leibwächter: Ich liebe dich.
    Frau: Ich begehre dich!
    Leibwächter: Ich suche dich. Ich treffe mich.
    Frau: Ich suche deinen Körper, suche meine Wünsche. Ich suche Versprechen und Geborgenheit und - Jahrmarkt.
    Leibwächter: Binde deine Schürze ab!
    Frau: Ziehe deinen Mantel aus!
    Regie: Samba, Palast, Terrasse, Rosenmahl
    Von Ferne die Festmusik des weißen Negers
    Rosenkönigin: Alles riecht nach Rosen und Lust. Der Salzwind des Meeres ist besiegt.
    Tonnen von Rosenblättern.
    Die weichen Seidenkissen. Die Gläser sind gefüllt.
    Die Schalen voll polierter Paradiesäpfel.
    Leibwächter: Guten Abend.
    Rosenkönigin: Guten Abend. Welch schöner Abend.
    Leibwächter: Der Diktator schläft. Keine schlechte Seele mehr an der Börse zu kaufen.
    Die Silberschalen sind leer. Die Schmetterlinge sind befreit und tanzen um die ganze Insel.
    Rosenkönigin: Welche interessanten Neuigkeiten!
    Kommen Sie näher! Lassen Sie sich fallen!
    Leibwächter: Nein, nein. Ich muss mich um meine Seele kümmern.
    Worthändlerin: ruft Kommen Sie! Der weiße Neger tanzt im Spiegelsaal.
    Rosenkönigin: Guten Abend! Guten Abend!
    Leibwächter: (zum Seelenhändler) Gut, dass Sie mir über den Weg laufen.
    Wem haben Sie meine Seele verkauft?
    Seelenhändler: Ich besitze sie noch. Ich habe sie bis Börsenschluss verwahrt. Hier hast du sie zurück.
    Kein gutes Geschäft, aber mein letztes.
    Leibwächter: freudig So fühlt sich das an!? Jetzt bin ich aus Leib und Seele!
    Jetzt fehlen mir nur noch Tanzschuhe und Augenbinde. Und meine Frau.
    Frau: ruft Wo steckst du?
    Ich habe ein Geschenk für den weißen Neger besorgt. Leuchtkugeln. Dann können wir ihn immer wieder finden.
    Rosenkönigin: voller Wut und Hysterie Ihr schwachen und mickrigen Kreaturen! Ihr Sklaven der Liebeslust! Ihr lebensüchtigen Menschlinge.
    Der Geruch Eurer Liebe verwandle sich in Buttersäure!
    Ihr seid meine schwebenden Rosenblätter nicht wert.
    kühl Die Liebe, das ist der Tod.
    Ihr lernt das noch: Die Wollust!
    Vielleicht lade ich den Diktator ein, aber es legen auch jeden Tag Schiffe mit Hunderten von sehnsüchtigen Touristen an.
    Was wisst Ihr von dieser Insel?
    Muskatnüsse!
    Regie: Samba, Palast, Spiegelsaal, Festmusik
    Der weiße Neger: Kommt, zieht eure Tanzschuhe an, lasst euch die Augen verbinden - und lauscht. Ich höre etwas, was du nicht siehst.
    Wer ist wer?
    Wer tanzt mit wem?
    Die Farbe ist schwarz oder weiß oder indigo.
    Es duftet nach geriebenem Muskat.
    Die venezianischen Spiegel glänzen, die chinesischen Vasen sind mit süßem Reis gefüllt.
    Ich bin der Zwilling der Rosenköniging. Sie ist schön, ich bin anmutig. Engel sind wir beide.
    Seelenhändler: Himmel und Hölle!
    Leibwächter: Ich höre das Schaukeln der Schmetterlinge.
    Worthändlerin: Ich spüre meine nackten Füße auf dem Tisch tanzen.
    Frau: Ich rieche meinen Liebsten. Küss mich!
    Seelenhändler: Der Krieg der Leiber geht zu Ende.
    Worthändlerin: Auf dieser Reise sind uns die Hüte vom Kopf geflogen und wir sind den tiefblauen Schmetterlingen nachgelaufen, um sie einzufangen; hutlos, selbstvergessen und geborgen schlecken wir das Füllhorn leer und küssen hinter den Jahrmarktsbuden.
    Unser Zaubersatz!
    Regie: Festmusik
    Worthändlerin: Tanz mit mir.
    Seelenhändler: Wenn du die Worte verschleuderst, feiern wir Hochzeit.
    Frau: Langsam, ganz langsam.
    Küsse mich.
    Leibwächter: Ich fühle meine Seele. Ich bewache mich nicht mehr. Ich will dich nicht mehr besitzen. Ich liebe dich.
    Frau: Du wolltest mich töten.
    Leibwächter: Ich habe dich erkannt.
    Frau: Ich tanze mit einem Mann, dir ähnlich.
    Leibwächter: Es ist ein Sommer an der See. Ein sanfter weißer Strand. Ich laufe rechts, ich laufe links von dir.
    Frau: Ich stehe auf und gehe zu meinem Mann.
    Leibwächter: Es ist dein Gesicht.
    Der weiße Neger: Jeder Mensch hat seine Unglücksstunde, die müsst Ihr kennen. Wenn an einem bestimmten Tag der Schatten des Liebsten, der im Gegenlicht steht, sieben Fuß lang ist, dann kommt seine Unglücksstunde. Dann haltet still, denkt nach und liebt.
    Jetzt nehmt einander die Augenbinden ab.
    Die Tanzschuhe schenke ich euch.
    Regie: Bus, Samba aus den Radios.
    Seelenhändler: gähnt Das Fest ist aus.
    Habe ich einen Durst.
    Worthändlerin: Die Realität ist die Realität. Wir reiten nicht auf weißen Elefanten.
    Leibwächter: Schaut! Wer hat das Schiff geschmückt? Lichtergirlanden und Blumen.
    Frau: Kapitänsdinner, - aber ohne die Rosenkönigin.
    Worthändlerin: Leuchtkugeln!
    Regie: Samba, Schiff und Meer. An der Reling.
    Frau: scherzt Siehst du ihn, den weißen Neger? Wie er am Strand tanzt, mit seinem Schirm im Arm?
    Leibwächter: Ich sehe alles, was du siehst, mein Herz.
    Seelenhändler: albert Scheveninger Shepsbeschuit! (spricht es falsch aus)
    Ich werde Händler für Schiffszwieback.
    Worthändlerin: lacht Spion!

    (in Zusammenarbeit mit Vibeke von Saher)

    Vom weißen Neger, vom Leibwächter, vom Fest der Rosenkönigin, von Jam Jam, von der Frau des Diktators und dem Kaninchen Caligula, von den Terroranschlägen des Hamsters Nero gibt es unzählige Hörspielfassungen und vom Leibwächter gibt es auch Erzählungen. Bewacht der Leibwächter seinen Leib, den seiner Frau oder all die Leiber, die ihn bezahlen?