J. Monika Walther
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Mai 2008

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben?, dove andrò...

Der Säntis, doch noch einmal: 2'501,9 m ü. M.. Und: Maloja = 1'809 ü. M. Es fehlt noch die Erzählung zum Säntis; die anderen Geschichten gibt es, diejenigen wo Frau S., die einen sie liebenden Menschen ermordet und auch jene über einen Herrn G., der weder auf dem Säntis war noch auf dem Maloja Pass, dafür aber als Menschenverderber im Paradies und auf Erden; Gott heißt die Erzählung und wird am 31. August in Duisburg beim Lesefest in NRW zu hören sein, und dort dann auch alles über die Heidi, und wie sie schweizgebadet die Eierschwämmli auf der Alphütte isst, ohne einen Fränkli und Cent Sackgeld in der Hand, aber dafür mit einem Blick von ganz oben, also oberhalb der Durchschnittshöhe von zweitausend Meter auf die Welt, soweit das große Heidiauge reicht, also grad bis auf die Eierschwämmli auf dem Teller vor sich vielleicht. Das weiß man so genau bei Schweizern nicht, also die Schweizer wissen das schon alles, nur eben die Nichtschweizer wissen vieles nicht, aber wie mir zugetragen wurde aus der Schweiz von einer Salonière sind die Schweizer und auch die Schweizerinnen in Sachen Mode europäisch, also nicht weil die Schweiz Mitglied dieses Europas wäre, sondern weil das Land eben umgeben ist von diesem Europa. Und da nehmen sie seismographisch alle europäischen Strömungen wahr. Also in nächster Zeit wird es um eine modisch gekleidete Heidi gehen, aber eben auch um die Heidi als Jeanne d'Arc der Schweiz. Als eine die in der Welt besteht und Welt in Ordnung bringt. Was bei der französischen Jeanne d'Arc revolutionär größer, militärischer und grundsätzlicher ausgefallen ist, bei der Heidi hingegen ging es, um die Werte der Natur und der unverdrossenen und geduldigen Menschlichkeit, die das Großstädtische und Verbogene zu besiegen weiß durch die Hartnäckigkeit des Glaubens in die Menschen. Und über allem die Berge. Und keine Intrige und Ranküne, außer die der Frau Rottemmeyer, die ein verletztes Fräulein ist. Es siegt auch nicht das Geld, auch wenn da auf der bundesdeutschen Frankfurter Seite welches im Spiel ist; es ist das Beruhigende der Alpwiesen, des Duftes, der Berge und die unerschütterliche Unbeirrbarkeit der Heidi und darin gleicht sie dann der Jeanne d'Arc.

Zurück zu den Fakten, Berge sind so und so hoch. Einmal ausgemessen, weiß man Bescheid. Wie ist das mit den Menschen? Ja sicher, vermessen kann man sie auch, Größe, Breite, Schädel, da gab es doch eine Übung im Faschismus, wer so ausschaut hat jenen Charakter, der fälische Mensch oder eben der semitische oder der antisemitische - aber Seelen und Lebenswege sind weniger berechenbar und messbar. Da gerät man ins Ungefähre. Von wem glaubt man, dass er oder sie auf einem Bahnhof auf einen wartete oder aus einem Zug stiege, von wem glaubt man, dass er oder sie einen ins Eis trage und wieder hinaus oder sich einen Abzweig im Leben zeigen ließe oder hinsteht und einen Weg zeigt Da geht es nicht um Millimeter und Meter, sondern um Glaubensfragen. Und dann doch um die messbar sichtbar gegangenen Schritte dahin oder dorthin oder gar nicht.

Also die Eurydice steht im Mai an einem Bahnhof und der Orfeo singt im concert gebow, also in Amsterdam, und kommt dann im Juni an in jenem Bahnhof, wo dann wiederum keine Frau E, steht, weil die in Adam nach O sucht, um vielleicht eine Frau C. zu treffen, die eigentlich mit O. verabredet war, der aber dann doch zu dem Bahnhof fuhr. Da im Mai wiederum ein Herr G. sagt, mit mir nicht, ich bin das Leben und die Zukunft; eine Frau S. ihre Stelle als Pianistin im Waldhotel fluchtartig verlässt, um zu beweisen, dass sie mehr kann als Klavier spielen und Geld verdienen, kann man nicht hoffen, dass sie alle glücklich werden: vielleicht, dass Orfeus eine Anstellung als Sänger bekommt, Frau Eurydice sich sagt: Immerhin, in der Hölle hat man seine Ruhe, Frau S. findet die Beweise ihrer Existenz und Herrn G. gelingt es die Macht über alles zu behalten und gerät dabei noch mehr außer Kontrolle.

Also - das alles ist barer literarischer Unsinn und ich hoffe natürlich, dass immer irgendwer mit irgendwem irgendwie glücklich dann schon wird. Orfeo und Frau E. nicht, das wissen wir. Also nicht zusammen und gemeinsam.

Was tue ich heute? Ja, grad das und dann Autorinnenvereinigung und Garten und eine neue Erzählung beginnen: über eine Eiswürfelfabrik in Halifax. Oder über ein Nachtessen im Kristallpalast.

Und was wünsche ich mir? Vielleicht doch nicht klüger werden, sondern einfach seiner Wege ziehen - lernen. So genau weiß ich das gerade auch nicht. Jedenfalls fahre ich übermorgen nach Ee und Den Helder. Und dann nach Straßburg und Zürich.

Jay