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Was mache ich heute?
Februar 2012
Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...
Auch 2012 ist Orpheus singend liebend und Geld verdienend unterwegs, während Euridice kocht, wäscht und sich gerade erst einer Bewegung angeschlossen hat, die für die Frauenquote kämpft. Nicht beim Kochen, Putzen, Waschen, Küssen, Wegräumen, nein – sondern in Sachen Vorstandsgehälter, Hauptabteilungsgehälter, große Literaturpreise und Forschungsgelder, in Sachen Macht und Geld.
„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“ 1860 wurde der Komponist Gustav Mahler in Böhmen geboren. Von ihm ist diese Idee.
Und das andere:
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten. Hilde Domin –
Beide Ideen zusammen können einen traumhaften Weg voller Brücken und Stege ergeben.
Was würde Rosa Luxemburg heute tun? Als Bundespräsidentin kandidieren, oder würde sie laut durch die Straßen gehen und sagen, was ihre Sache ist? Könnte sie der Welt widerstehen und der Welt einen Gang empfehlen, heute? Passen wir uns an – jeden Tag? Mit Hilfe unserer gewöhnlichen Alltagsdrogen, diverser psychologischer Methoden, der üblichen Verdrängungen, der Müdigkeit, dem Überdruss all der Weltenunglücke. Wir passen uns an. Jeden Tag. Wie wäre es sonst aushaltbar. Und doch rennt ab und an eine Rosa durch die Straßen und schlägt mit ihrem Schirm um sich. Oder sitzt Zuhause am Tisch und schreibt. Und liebt. Was würde sie heute tun? Sich operieren lassen bis sie bildschön wäre, wie all die Mädchen, die nicht begriffen haben, dass es auch ein Leben ohne Models gibt, ohne junge Frauen, die sich an ältere Männer anlehnen, um eine Portion vom Kaviar abzubekommen, der in Lettland im Supermarkt so billig ist und so fantastisch schmeckt, wie es in St. Moritz gar nicht möglich ist? Hätte sie? Für den Jogisch? Oder es doch gelassen. Und wie viel taugt ein Regenschirm und eine kluge Frau gegen eine Polizei, die von der Armee Nachhilfeunterricht in Sachen Aufstand erhält? Und was sind Aufstände in der ersten Welt, wenn wir doch nur ein bisschen ein anderes Leben ohne noch mehr Arbeitsverdichtung wollen und ein wenig mehr Kontrolle über das Geschehen in unserem Land uns wünschen – Mitbestimmung. Was für ein altmodisches Wort. Mit-bestimmen. Ja, auch mehr Lohn, gerechtere Honorare, aber das ist es nicht. Sein Leben nicht von Behörden und Staat bis ins Letzte vorgeschrieben bekommen (sie haben immer Recht, gleich wie unrecht sie haben, was aber immer erst Jahre zu spät bewiesen ist), keinen Millimeter sich bewegen können, ohne dass Staat, Beamte, Vorschriften bereits die Schrittlänge festgelegt haben. Null. Und es gibt keinen Ausstieg mehr. Nicht einmal für Millionäre und Models, die sich an die Bäuche alter Herren anlehnen.
Zwei Büchertipps: Die Ruhelosen von Michèle Minelli – eine Familiensage über acht Generationen zwischen 1859 bis heute, Geschichten über eigensinnige Frauen und Töchter, über Reisen durch Europa. Gerade erschienen im Aufbau Verlag. Und: Jahrestage – Aus dem Leben von Gesine Cresspahl. Uwe Johnson hieß er.
Sand und Wasser sind tief unter der Straße versteckt.
Was wünsche ich mir? Ferien in Le Pouget. Bald.
Was tue ich heute: Sperlingssommer korrigieren, der Band mit Erzählungen soll im Sommer erscheinen.
Und: Vogelmarkt
„Wenn ich will, gehe ich jede Woche zum Vogelmarkt. Auf dem Weg dahin werfe ich die Steine der Landstraße durcheinander und trete den Asphalt beiseite. Ich sehe das ölig leuchtende Wasser in den Bächen. Der Federsommer zeigt sich mir geflügelt und voller weißer Tulpen.
Auf dem Weg zum Vogelmarkt rufe ich nach Ordnung und erinnere mich aller Leute, die ich kenne. Nur eine Toilettenfrau ist dabei, ein schwarzer Afrikaner. Ein Eskimo. Viele fehlen.
Auf dem Weg zum Vogelmarkt gehe ich in die verlassenen Häuser und gieße Blumen, füttere die Schildkröten und befreie die trojanischen Esel.
Wenn ich will, gehe ich jede Woche zum Vogelmarkt und versetze mich an deine Stelle.“ Also: Heute lief ein Schwan über die Straße. Der andere schlief im Stehen.
Jay